Geriatrie
Geriatrische Patienten profitieren von der interdisziplinären Zusammenarbeit. Geriatrie ist ein Fach, was nur dann gut funktioniert, wenn verschiedene ärztliche Fachdisziplinen in einem Ärzteteam präsent sind und in einem ständigen Austausch untereinander und mit den beteiligten Berufsgruppen aus Pflege, Physio- und Ergotherapie, Logopädie, Psychologie, Sozialdienst und Seelsorge stehen. Die über eine reine Organbetrachtung hinausgehende ganzheitliche Behandlung schließt medizinische, neuropsychologische und sozial-kommunikative Aspekte ein.
Aktuell bestehen als Folge der demografischen Entwicklung und der wachsenden Spezialisierung in der Medizin große fachliche Herausforderungen in der Geriatrie. Die Patienten werden stets kränker und sie haben mehrwöchige bis Monate andauernde Behandlungsverläufe auf Intensivstationen oder wiederholte Behandlungen in Akutkliniken wegen Komplikationen hinter sich gebracht.
Wir beobachten eine Zunahme der Multimorbidität, stets wachsenden Pflegebedarf und ein erhöhtes Gefährdungspotential durch krankenhausspezifische Infektionen. Ferner werden die Behandlungsteams der Geriatrie durch die zunehmende Anzahl schwer kognitiv beeinträchtigter Patienten mit Delirien, chronischen Depressionen und Demenzerkrankungen über zumutbare Belastungsgrenzen hinaus gefordert.
Unweigerlich rücken auch palliativmedizinische Fragestellungen in den Fokus des Geriaters, die eine besondere Fürsorge und ganzheitliche Ausrichtung am Ende des Lebens eines betagten Menschen erfordern.
Das Evangelische Krankenhaus Gesundbrunnen blickt als eines der ersten geriatrischen Krankenhäuser in Deutschland auf eine mehr als 50 - jährige Behandlungserfahrung zurück und hat die heutige Ausrichtung des Faches Geriatrie mitgeprägt. In der Ausrichtung der Fachgebiete Neurologie/Psychiatrie und Innere Medizin/Allgemeinmedizin sehe ich die Stärke in der Entwicklung eines fachübergreifenden Behandlungskonzepts in der Altersmedizin begründet.
Der gemeinsame Blickwinkel beider Fächer kommt dem Behandlungserfolg des Patienten zu Gute und wurde bereits 1967 bei der Gründung des Krankenhauses verwirklicht. Geriatrie braucht Ärzte, die flexibel über die Grenzen des eigenen Fachgebietes hinausschauen können und nicht Territorien erobern wollen.
Die Bewertung der meist chronischen Krankheiten und deren Folgezustände erfordert ein diagnostisches Verfahren, das als geriatrisches Assessment erfolgt und den gesamten Krankenhausaufenthalt begleitet. Das geriatrische Assessment wird patientenbezogen in 5 verschiedenen Bereichen erhoben:
- Selbsthilfefähigkeit
- Mobilität
- Kognition (Gedächtnisfunktionen)
- Stimmung
- Soziales Assessment in strukturierter Form mit Berücksichtigung von sozialem Umfeld, Wohnumfeld, häuslichen/außerhäuslichen Aktivitäten, Pflege/Hilfsmittelbedarf, rechtliche Verfügungen
Die Behandlung in der Geriatrie erfordert die Behandlungsleitung durch einen Geriater, ständige Anwesenheit von in curricularer Weiterbildung qualifizierten Pflegekräften sowie die Behandlung durch mindestens 2 Therapeutengruppen der Therapiebereiche Physiotherapie/Physikalische Therapie, Ergotherapie, Logopädie/Schlucktraining und Psychologie/Neuropsychologie. In den wöchentlichen Teamkonferenzen werden unter Beteiligung der fachärztlichen Behandlungsleitung individuelle Behandlungsfortschritte besprochen und die berufsgruppenspezifischen Ziele der weiteren Behandlung definiert.
Die Besonderheiten der medikamentösen Behandlung bei mehreren Krankheiten im Alter werden speziell beachtet, um die Sicherheit durch Vermeidung von Medikamenteninteraktionen zu erhöhen und die Anzahl der Medikamente zu reduzieren. Diagnostische Verfahren (Labor, Ultraschall, Röntgen, EKG, Lungenfunktion, EEG) setzen wir bedarfsgerecht im Einvernehmen mit den Patienten ein.
Weitgehende Selbstständigkeit ist das Ziel, möglichst in der eigenen Wohnung, wenn nötig mit personeller Hilfe durch Pflegende (Angehörige) oder individuelle Hilfsmittel. Durch unsere Erfahrung und ständige Weiterentwicklung gelingt uns dies mit nachhaltigem Erfolg.
„Wir brauchen eine gute aktivierende Pflege und eine auf die Erfordernisse unserer Patienten ausgerichtete Therapie, um Ihre Alltagskompetenzen zu fördern. Die Patienten und ihre Angehörigen müssen in Ihrer Erkrankung und der Krankheitsverarbeitung angenommen und unterstützt werden. Humor und Kreativität kann dazu beitragen, das Ziel einer möglichst großen Eigenständigkeit zu erreichen.
Beides macht die Arbeit mit hochbetagten Menschen, die meist unter mehreren Krankheiten leiden, leichter“, erläutert Dr. Manfred Wappler.